Aufbruch und Ankunft im Odenwald
Zwischen Alaska und Australien hat uns die Globalisierung viele Heimatwelten zu bieten und verändert dadurch unsere Identität, denn in Zeiten von Währungskrise, Umweltzerstörung und Wertewandel scheinen Menschen es trotzdem als wichtig zu empfinden sich irgendwo zu Hause zu fühlen. Die westlich geprägte Vorstellung der Erste-Zweite-Dritte Welt-Ordnung ist in schneller Auflösung begriffen. Länder die gestern noch leicht abfällig als ‚Schwellenländer‘ bezeichnet wurden sind zu Wirtschaftsgiganten aufgestiegen und fordern einen gleichberechtigten Platz in der Weltgemeinschaft.
Nationalität verliert als Bezugsebene immer mehr an Bedeutung, wodurch die Region wichtiger wird, denn während die rastlose Globalisierung in Echtzeit immer weitere Räume zu ihrer Entfaltung erschliesst suchen Menschen immer kleinere Räume, in denen sie sich zu Hause fühlen und ein Gefühl der Zugehörigkeit entwickeln können. ‚Heimat ist super‘, denn sie gibt Orientierung in einer zunehmend komplizierter und unüberschaubarer werdenden Welt. Was aber Heimat letztlich für jeden Einzelnen ausmacht bestimmen längst nicht mehr die Lautsprecher der örtlichen Trachtenvereine und erst recht nicht die Politiker, denn Heimat ist aus rein räumlicher Sicht plan-, wähl- und gestaltbarer geworden als früher und Gegenstand rationaler Entscheidungsprozesse.
Viele Menschen finden in sozialen Beziehungen ihr Zuhause, in ihrer Familie oder bei Freunden und beleben so den Heimatbegriff auf ihre ganz eigene Art und Weise. Zu den klassischen Heimatmotiven sind neue hinzugekommen und so gilt es inzwischen als Schick beim Wandern Volkslieder zu singen und in Dirndl oder Lederhose aufs Oktoberfest zu gehen, denn in einer Welt, in der man schnell den Boden unter den Füssen verlieren kann, stehen Traditionen wieder hoch im Kurs – auch wenn es nicht die eigenen sind.
Traditionen stellen die Summe des kulturellen Erbes dar, dass von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Naturkundliches Wissen und handwerkliches Können gehören ebenso dazu, wie Rituale und moralische Regeln. Sogar die großen Globalisierer haben diesen Trend erkannt und besinnen sich bei Personalentscheidungen gerne wieder auf Tugenden wie Verlässlichkeit und Authentizität.
Leider gelingt nicht allen die ‚Heimat‘ für sich neu entdecken die Gratwanderung zwischen Tradition, Folklore und Party-Patriotismus, denn schwarz-rot-goldene Autodekoration ist während sportlicher Großereignisse inzwischen fast schon zum Muss geworden. Eine Frau – evangelisch, kinderlos und ‚aus dem Osten‘ – wurde Kanzlerin der Adenauerpartei und ein homosexueller Aussenminister, Wir wurden Papst und die Welt schaute zu, als Stefan Raab beim Eurovision Song Contest allen ernstes mit „Wadde hadde dudde da“ antrat und alle Welt sagte „Mann sind die Krauts cool geworden“. Podolski und Özil ernteten Respekt für ihre zurückhaltende Freunde nach Toren gegen ihre „Heimat-Mannschaften“ und Michael Schuhmacher verblüffte die Öffentlichkeit mit dem Statement, dass er vor dem Rennen einfach nur auf Toilette geht. Viele haben daran mitgewirkt, im Kleinen wie im Großen, dass man sich in der Welt wieder blicken lassen konnte.