Aufbruch und Ankunft im Odenwald
Es ist noch nicht lange her, da war ‚Heimat‘ die Trachtengruppe und der Schützenverein, Inbegriff der Spießigkeit und dekadenter Rituale, der Volksgesang von nationalem Pathos, der in braunen Schweinsledersandalen mit weissen Tennissocken daherkam und das deutsche Wesen, an dem die Welt genesen sollte. ‚Heimat‘ war das erklärte Feindbild aller Spät-Achtundsechziger und anderer progressiver Weltbürger, deren Heimat dort war, wo die Post ankommt.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein war ‚Heimat‘ hauptsächlich ein juristischer Begriff, denn wer am Ort heimisch war hatte Bürgerrechte. ‚Heimat‘ das war die Loreley, das Ohnsorgtheater, Gebirgsbäche und die ewig rauschenden Wälder oder einfach der Bolzplatz auf dem man sich blutige Knie geholt hatte die von den Eltern mit reichlich Jod versorgt wurden.
‚Heimat‘ das war die Summe aller Dorflinden unter denen sich Vater Staat und Mutter Natur einträchtig im Kreise ihrer Liebsten allabendlich gute Nacht sagten und sich sicher sein konnten, dass mit der „Bindung an Werte und die urtümlichen Lebensformen unserer Heimat“ alles so blieb wie es schon immer war.
Doch Heimat hat mehr zu bieten als Geburtsort, Wohnstätte oder gar Vaterland, denn jeder Mensch definiert seine eigenen kleinen Heimatgefühle die von verschiedensten Impulsen ausgelöst werden und nur selten rational nachvollziehbar sind. Heimat ist individuell, konturlos, ausufernd und unangreifbar wie ein Traum in dem Farben und Formen verschwimmen. Heimat ist ein Zerrspiegelbild, das man wohlig in dem Bewusstsein betrachtet, dass es so nicht real ist. Vom Vertriebenentreffen bis zum Veteranenstammtisch der Hausbesetzerszene ist Heimat inzwischen wieder salonfähig geworden.