Ein Jagdausflug in den Odenwald wird Siegfried zum Verhängnis. Beim Abendlager der Jagdgesellschaft fehlt Wein und so macht sich der dürstende Held auf zu einer nahegelegenen Quelle. Den ahnungslos über die Quelle gebeugten Drachentöter trifft Hagen von hinten mit Siegfrieds eigenem Speer. Siegfried versucht noch, den flüchtenden Hagen zu erreichen, bricht aber zusammen und stirbt. Die Mörder beschließen später vorzugeben, dass Siegfried durch Räuber getötet worden sei.
Im Nibelungenlied wird das frevelhafte Ende des Drachentöters Siegfried spannend geschildert. Das Nibelungenlied war im Mittelalter an vielen Reichsburgen bekannt. Die deutsche Ritterschaft des 11. und 12. Jahrhunderts hatte tiefgehende Beschädigungen ihres Weltbildes zu bewältigen (Krach zwischen Papst und Kaiser, Kreuzzüge mit herben Verlusten, sittlicher Verfall) und suchte nach Orientierung wie die ritterlichen Werte zu bewahren und das Leben hierauf auszurichten sei.
„Da der Herr Siegfried an der Quelle trank,
traf Hagen ihn durch das Zeichen hindurch mit dem Speer,
dass sein Herzblut im hohen Bogen aus der Wunde an Hagens Wams spritzte.
Eine so schwere Untat kann heute kein Held mehr begehen“
Für die Tat wird vordergründig Brünhilds Rache für die erlittene Ehrverletzung bemüht die im Streit der Königinnen auf der Kirchentreppe zu Worms eskalierte. Nach heutigen Massstäben mag es verwunderlich klingen, aber die Vergeltung von Unrecht wie z. B. Totschlag oder Raub u. a. lag damals bei den Betroffenen und ihren Familien. Blutrache und Fehde waren an der Tagesordnung, um den Geschädigten ihr ‚Recht‘ zu verschaffen.
Den grimmigen Hagen bewegten wohl weniger ‚ehrbare‘ Gründe: Siegfried war einfach zu mächtig geworden. Als er tot war, gab es ’nur noch wenige, die wider uns anzutreten wagen‘. Genau solch ein Opfer bösen Machtgerangels wurde auch der Anführer der Cherusker Arminius (Hermann). Beide Helden starben durch Verrat ihrer eigenen Verwandten.
Liegt hier die Spur zum Mythos des Nibelungenschatzes? Symbolisiert er die Beute aus den Germanenkriegen der römischen Legionen?
In Grundzügen ist das Finale aus der römischen Geschichtsschreibung überliefert. Schon unmittelbar nach der Varusschlacht wurde der Boden gefährlich für Arminius. Kaiser Augustus holte wutentbrannt zum Gegenschlag aus. Die Legionen am Rhein wurden aufgestockt und frische Soldaten herangeführt. In den darauffolgenden Jahren wütete das römische Heer quer durch Niedersachsen und hinterlies eine Schneise verbrannter Erde.
Das Imperium wollte den Sieg erzwingen – Arminius widersetzte sich weiterhin. Geschichtsschreiber möchten uns heute glauben machen, dass ihn das ehrbare Ziel eines geeinten Germanien antrieb, selbst wenn dies nur mit Kampf und Gewalt zu erreichen gewesen wäre. Arminius griff 17 n. Chr. den mächtigen König Marbod in Böhmen an und gewann damit Einfluss über mehrere Stämme (Langobarden, Semnonen, Goten) im Gebiet der Elbe. König Marbod der erstmals in der germanischen Geschichte einen größeren Herrschaftskomplex errichtet hatte gebot über ein Heer von 70.000 Mann Infanterie und 4.000 Reitern.
Sein Erfolg machte ihn einerseits zum ultimativen Anführer; persönlich zahlte er einen sehr hohen Preis: Im Jahr 15 n. Chr. geriet seine Frau Thusnelda in Gefangenschaft. Seine Macht nutzte Arminius wenig, Rom blieb für ihn unerreichbar. In dieser unbezwingbaren Stadt aus Stein mit meterhohen Toren, in Gefangenschaft eines Kaisers, der 300.000 Soldaten unter Waffen hielt schmachteten seine Thusnelda und der Sohn Thumelicus.
Im Jahr 22 n. Chr. kam es zum Verrat: ‚Nach dem Königsthron strebend‘ (Tacitus), starb Arminius durch die Hand eines Attentäters aus seiner Verwandtschaft.
Kein Zweifel: Im Blätterwald der Vergangenheit irrlichtern geschichtsträchtige Gestalten umher. Die Formel Siegfried gleich Arminus (Hermann der Cherusker) lässt sich mit vielen Parallelen und Querverweisen unterfüttern. Doch wo ist der Boden im Brunnen von Dichtung und Wahrheit?